Wenn Eltern ihre Kinder in die Mietwohnung aufnehmen wollen
Immer wieder kommt es bei Wohnraummietverhältnissen zwischen Vermietern und Mietern zu Auseinandersetzungen, wenn Eltern volljährige Kinder in ihre Mietwohnung aufnehmen wollen. Viele Vermieter vertreten hierzu die Auffassung, dass für einen solchen Zuzug ihre Erlaubnis gemäß § 540 BGB erforderlich sei. Nach dieser Vorschrift ist der Mieter ohne Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch einer Mietsache einem Dritten zu überlassen.
Zu der vorstehenden Problematik hat das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 04.09.2012 ( 4 S 96/12 = IMR 2013, 135 ) eine eindeutige Entscheidung zu Gunsten der familiären Bande getroffen.
Der Fall: Eine pflegebedürftige Mieterin hatte eine 3-Zimmer-Wohnung gemietet. Gegen die Aufnahme der volljährigen Tochter der Mieterin wehrte sich der Vermieter unter Berufung auf § 540 BGB. Er verweigerte die Erlaubnis zum Zuzug der Tochter, kündigte schließlich wegen der Mitnutzung das Mietverhältnis und erhob Räumungsklage. Während das Amtsgericht dem Vermieter noch Recht gab, wies das Landgericht Potsdam in der Berufungsinstanz die Räumungsklage des Vermieters ab.
Die Urteilsbegründung: Beide Gerichte waren sich zunächst einmal einig, dass die Aufnahme eigener leiblicher Kinder zum Kernbereich des Mietgebrauchs gehöre, für den es keine gesonderte vertragliche Grundlage bedürfe. Das Amtsgericht ging dann aber davon aus, dass dieser Grundsatz zeitlich begrenzt sei bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein leibliches Kind erstmalig einen eigenen Haustand begründe. Danach gelte das vorstehend Gesagte nicht mehr. Dieser Argumentation folgte das Landgericht Potsdam nicht. Für die vom Amtsgericht angenommene zeitliche Grenze sei ein gesetzlicher Anhaltspunkt nicht auffindbar. Vielmehr unterfalle die Aufnahme leiblicher Kinder dem grundrechtlichen Schutz von Art. 2 Abs. 1 GG ( freie Entfaltung der Persönlichkeit ) sowie Art. 6 GG ( Schutz von Ehe und Familie ) des Mieters, so dass es grundsätzlich für den Zuzug leiblicher Kinder keiner gesonderten Erlaubnis im Sinne des § 540 BGB bedürfe.
Fazit: Grundsätzlich können Eltern leibliche Kinder, egal ob minderjährig oder volljährig, egal ob wirtschaftlich selbständig oder unselbständig ohne Erlaubnis des Vermieters im Sinne des § 540 BGB in ihre Mietwohnung aufnehmen. Ein solches Mieterverhalten unterliegt grundsätzlich dem Kernbereich des zulässigen Mietgebrauchs und berechtigt den Vermieter nicht zu einer Kündigung des Mietverhältnisses. Nur ganz ausnahmsweise könnte gegebenenfalls Anderes gelten, z.B. wenn dem Vermieter wegen Straftaten der Kinder gegen ihn eine Aufnahme nicht zuzumuten wäre.