Unfallschaden – Vorfinanzierung oder eigene Vollkasko nutzen?
Unfallschaden – Vorfinanzierung oder eigene Vollkasko nutzen?

Unfallschaden – Vorfinanzierung oder eigene Vollkasko nutzen?

Keine Vorfinanzierung der Reparatur des Unfallschadens über eigene Vollkasko

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalles hat nach ständiger Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht alles Zumutbare zu tun, um durch geeignete Maßnahmen den Schaden möglichst gering zu halten. Tut er dies nicht, trifft ihn ein Mitverschulden am Schadenseintritt gemäß § 254 Abs. 2 BGB. Seine Schadensersatzansprüche reduzieren sich um einen entsprechenden Anteil.

In diesem Zusammenhang stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob der Geschädigte eine Reparatur vorfinanzieren muss, z.B. durch Inanspruchnahme der eigenen Vollkaskoversicherung, um die Schadensposition Nutzungsausfall möglichst gering zu halten.

Diese Frage war in der Vergangenheit durchaus umstritten, auch wenn ein Großteil der obergerichtlichen Rechtsprechung eine solche Pflicht des Geschädigten ablehnte ( vgl. z.B. Urteil des OLG München vom 27.05.2020 – 10 U 6795/19 ).

Hier hat der BGH nun mit Urteil vom 17.11.2020 ( VI ZR 569/19 ) ein Grundsatzurteil zu Gunsten des Geschädigten getroffen.

Sachverhalt sowie Instanzengang:

Am 16. Februar 2017 verunfallte die Klägerin. Die Haftung der Gegenseite ist unstreitig. Noch am Unfalltag gab die Klägerin ein Sachverständigengutachten in Auftrag, welches bereits am Folgetag vorlag. Mit Anwaltsschreiben aus März 2017 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass sie aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage sei, die erforderliche Fahrzeugreparatur vorzufinanzieren.

Im Rahmen der vorgerichtlichen Schadensabwicklung zahlte die Beklagte Nutzungsausfall für 15 Tage ( 10 Tage Reparaturdauer + 2 Tage Beauftragung und Erstellung Sachverständigengutachten + 3 Tage Überlegungsfrist ).

Die Klägerin begehrte dagegen weitere 27 Tage Nutzungsausfall ( = 16.02.-29.03.2017 = 42 Tage abzüglich 15 regulierte Tage ).

Die Klage wurde im März 2019 in 1. Instanz vom Amtsgericht Berlin-Mitte und in 2. Instanz im November 2019 vom Landgericht Berlin zurück gewiesen.

Das Landgericht argumentierte, die Klägerin habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Sie hätte ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen müssen.

Die vom LG zugelassene Revision der Klägerin beim BGH hatte dann Erfolg.

Die Entscheidungsgründe:

Der BGH argumentierte, dass sich aus der Schadensminderungspflicht keine Verpflichtung des Geschädigten ergäbe, seine Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Grund hierfür sei, dass der Geschädigte über das Argument der Schadensminderungspflicht nicht zu einer Vorfinanzierung der Schadensbehebung verpflichtet werden könne. Auch der Umstand, dass der Schädiger später verpflichtet sei, den Geschädigten vom Rückstufungsschaden bei der Versicherung frei zu stellen, könne diese Sichtweise nicht ändern.

Dies könne nämlich dazu führen, dass der Geschädigte später eine Feststellungsklage erheben müsse, um eben diesen Schaden geltend zu machen ( Zusatz des Verfassers: Prämienschäden können wegen der sich fortlaufend ändernden Regional- und Fahrzeugklassen der Kfz-Versicherungen nur jedes Jahr neu berechnet und dann eingefordert werden. Unfallschäden verjähren nach 3 Jahren. Verzichtet hier der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer nicht darüber hinaus auf die Einrede der Verjährung, muss der Geschädigte eine Feststellungsklage dahingehend erheben, dass der Schädiger und seine Versicherung auch in der Zukunft eintretende Schäden zu ersetzen haben. ). Dies sei dem Geschädigten aber nicht zuzumuten.